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litera[r]t
[heft 14] [dezember 2016] wien - st. wolfgang



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Helden schlafen schlecht

Werner Rohner


Einer meiner wenigen wiederkehrenden Wachträume war, dass ein paar Bösewichte mit straffen Rossschwänzen über ihre Halbglatzen gezurrt, die Doppeltür der Kirche auftraten und mit Maschinengewehren begannen in die Menge zu ballern, und ich, im Gegensatz zu allen anderen, duckte mich nicht weg, sondern stand auf, hechtete in den Mittelgang und mit Flic Flacs wie ich sie an der Olympiade in Los Angeles im Fernsehen gesehen hatte, bewegte ich mich, mehreren Hundert Kugeln ausweichend, auf die Bösewichte zu, die immer nervöser wurden, auf dem Weg zerrte ich noch ein paar verschreckte Knaben unter die Bänke, und als ich genug Leben gerettet hatte, packte ich die Bösewichte und schlug wie Obelix und Bud Spencer ihre Köpfe zusammen, dass Sterne darüber tanzten.

Heilige werden zu Helden, wenn die Moral die Religion ersetzt – dass Väter von ihren Kindern für Helden gehalten werden, hat vor allem mit Unnahbarkeit zu tun.

Sagt ein Held zum anderen: "Was machste, musst zwei Menschen retten, einer hat zweihundert Kilo, der andere ist noch ein Kind? – Rechnest du nicht-gelebte Jahre, gelebte, rechnest du Gewicht oder Geschlecht, Alter, Familie, Schönheit, Geschlecht, hast du Kriterien, was tust du? Welchen zuerst?"
Sagt der andere: "Nicht rechnen, retten!"

Wovon träumen Helden? Gibt es Helden, die nicht handeln? Für den Helden kann das Happy End nur sein, dass er kein Held mehr ist? Was will der Held, wenn er einmal nicht auf andere Rücksicht nehmen muss? Es ist nicht die Tat, die den Helden zum Helden macht, es ist die Geschichte, die darüber erzählt wird. Werden Helden gemacht, damit Töten erlaubt ist? Wann sind Helden zufrieden (gibt es deshalb so viel Sequels?)? Der Joker folgt auf den Batman, nicht umgekehrt.

Und: Superman war auch ein Flüchtling. Das Böse ist eine Erfindung der Guten. Manipulation der Mehrheit durch eine Minderheit ist eine Erfindung der Mehrheit. Helden schweigen gern.

Als Freddie Mercury am Band Aid 1985 zum zweiten Mal die Bühne betritt, sitze ich mit meinen Eltern auf dem Sofa, und mein Vater sagt, "Kann ja nicht jeder ein Held sein", dann sagt er nichts mehr.

Heldenbrust, Heldenstreich. Heldenstück. Revolverheld, Kriegsheld, Heroin, Frauenheld, Maulheld, Bauchspeicheldrüse, Pantoffelheld, Stacheldraht, Hero Rösti. Heldin.

Helden im Mehrzahl sind nicht selten Tote. Die Anleitung zum Heldentum ist strafrechtlich nicht relevant. Vergessen ist in der Geschichte so nicht vorgesehen.

Die Erzählung vom Heldentum, vom Herausragen, vom Ende gut alles gut – wenn doch alles immer weitergeht –, das kreiert doch erst die ganze Ungleichheit, nicht, weil alle Helden sind, weil alle es sein wollen und zwangsläufig die meisten scheitern müssen, weil der Held per Definition Außeralltägliches vollbringt, und in dieser Enttäuschung, aber auch in diesem Versuchen- und: Superhelden sind Besserwisser.

Little Hero
When little Sam was little, he once saw a hero cleaning the streets. The hero was wearing a very colorful suit and whistling a sad song. Little Sam remembered like he once was wearing a colorful costume too and tried to fly from the rooftop. And how his father visited him in the hospital and wrote on his plaster: "Nobody gets born a hero.” At home he asked his mother what heroes usually do. "They save peoples’ life, but they never do it in the usual way”, his mother told him. "So nobody has to die if there is a hero around?” "I guess so”, the mother said. "But grandpa is dead, isn´t he? Were all the heroes asleep?” - "He´s gone, yeah.” - "Couldn´t they save him? I mean, the usual way? Couldn’t they save more that way?” Little Sams mother touched little Sams head and said: "That´s what society is for, when it´s working.” - "Is it working?” little Sam asked and was thinking about his grandpa. "As long as there are heroes around maybe not”, the mother said. "Oh”, said the boy.



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