Logo Verlag z
e
i
t
s
c
h
r
i
f
t

f
ü
r

l
i
t
e
r
a
t
u
r





litera[r]t
[heft 7] [oktober 2012] wien - st. wolfgang



blättern [zurück] [weiter]
[zeitschriftenindex]
texte
margit heumann


abralenzabra
zitronenfalter auf schlittschuhen sausen in spiralen um die letzten eiszapfen. sonne tropft von den dachrinnen. der föhn jagt stadtansichten über den himmel. aus den landschaftsausblicken quillt frische erde. der gärtner vertikutiert das gehirn und macht den blick mehltaufrei. die oma hat neue gartenstühle gestrickt. auf der vogeltränke steht ein alter schlager kopf. socken und sandalen übernehmen das kommando, die strumpfhose geht ins exil. zwei liegen paaren sich auf der terrasse, wohl wissend, dass der vorhang hinter der gardine spechtet. mitten hinein in diese idylle schneien yetis und der winter feiert fröhliche urständ. ohne ansehen der person frieren die eismänner sämtliche lenzattribute in handliche blöcke, zitronenfalter und gartenstühle, omas und gärtner, schlager und socken, sandalen und sich paarende liegen. die kalte sophie macht auf erlöser und trinkt alles mit whiskey on the rocks bis zum bitteren ende aller eiswürfel ins sommerloch.



hokusjulpokus
schneehimmel verspricht das blaue vom firmament, wolken entleiben sich, ihre seelen fallen in nassen flocken und eisigen nadeln, kristallgeriesel bittet zum tanz, mummenschanz in weiß hinterlässt die gegend vermummt, kahle erde erlebt ihr achromatisches wunder.
land unter.
stahlblauer wintertag zündet blendgranaten im auge. schneedecke stellt sonne in den schatten. weißbärtige gestalten in schwerem hermelin haben fichtenseelen, unter ächzen und stöhnen bewegen sie ihre flügel, filigrane zuckerkristalle stäuben auf, jeder sein eigener regenbogen. dem globus kommt oben und unten abhanden, die kompassnadel zittert über die rose und findet kein norden. hoch zu ross durch wellen ohne wasser, dünen ohne sand, huf um huf steppt das wüstenschiff eine naht in die jungfräulichkeit einer nordwärts transzendierten sahara.
fata morgana.
schneebälle schlachten sich gegenseitig, türmen sich zu männern, drehen jedem eine lange karottennase und kehren ihn von der bildfläche. snowboards und skier und kufen schlagen die letzten bäume in die flucht, schusters rappen und seehundfelle zum aufsteigen sind aus der mode, lifte schleppen die erodierten hänge zu tode. der olymp wartet auf mit jagertee und kachelofen, es lagern matratzen dicht an dicht, anonymes knie im rücken, unbekannte füße in jeweils fremdem revier, einer atmet den geruch des anderen, jeder topf findet seinen deckel, neun monate später erntet der herbst die früchte, entzaubert. natur sorgt auf vielerlei weise für den fortbestand der art.



wenn
ich ehrlich sein soll, bleib ich nicht hier sondern geh nach woanders. nach dort, wo der himmel silbern schmeckt. wo man sich durchbeißt, staubschweißbedeckt. die wolken, je nach geschick, auf die goldwaage legt oder auseinander sägt. des nachts tausendmal mit den lidern zuckt und unter druck meteoriten verpuppt. ich bin selten da, falls ich ehrlich sein soll, also wirklich und ganz, bleibe ich nie sondern geh auf distanz. willst du mir folgen, mach die augen dicht, flieh, anders als alle, die fakten bei licht.



als kopfüberfall
wohl oder übelgelaunt zum stillhalten zwang. als bei jeder bewegung splitterbomben im Rückgrat detonierten. als gemeinheiten der sanitäter giftgelb schmerzten. als machtlosigkeit gegenüber ärzten mit messern in der wunde wühlte. als die pflegeroutine von schwester valentine stahlblaue Qual generierte. als schluss war mit selbstkontrolle, ob man wolle oder nicht, und paralyse das subjekt zum objekt degradierte, desertierte der glauben, der glauben an unverwundbarkeit.



© bei der autorin



Logo Verlag ein projekt [ag literatur]
blättern [zurück] [weiter]
[zeitschriftenindex]