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Der Baum

In diesem Baum wohne ich
seine Wurzeln meine Wurzeln
blau tupfe ich mir die Haarsträhnen
harzleuchtet das Gewand

Durch einen Spalt sehe ich Spitzwegerich
Schaumkraut
das Weiße fliegt kieselwurfleicht
an der Sommerrinde lehnen
die Landvermesser
in den Feinstaubschichten verfängt sich
ein Fernwort und bleibt eine Metapher

Ach das habe ich hinter mir
dieses Klagen der nichtgeölten Tage
ein Flügelschlag genügte
um den Blick zu entzweien

Von hier wird man nicht vertrieben
in den Nischen hängen die Stammtafeln
rieseln die Sanduhrkörnchen
die Zeit wird ausgedehnt
über den Rand

Im Urwortschatz suche ich mir
einen Namen: Tajumin
er riecht nach Süßtabak
alt werde ich wie dieser Baum



In meiner Hand

In meiner Hand
ein Stein
Fünf Finger
umschließen wiegen ihn
schätzen
seine Stärke ab
Bis in die Innenhaut
fließt die Wärme
Mit den Augen
erkunde ich
die wunden Stellen
Seine Lebenslinien
decken sich mit meinen
Unzählige
leuchtende Punkte
als wäre er von einem
anderen Planeten
Ein poröser
gewöhnlicher Stein
Als hätte er
Zuflucht gesucht



Regenanbeter

Wir beten den Regen an, wenn kein Regen, regen wir uns
auf, reden mit dem Himmel und es regnet.
Die Schirme lassen wir zu Hause, öffnen die Münder,
es fließt in die Seelen,
die großen, die kleinen Seelen.
Dass wir uns im Regen lieben versteht sich von alleine,
danach gehen wir in den Park, die anderen kehren ihm
den Rücken, er wird sich mal rächen, lässt einfliegen,
scharenweise Mücken.
Wir beobachten wie sich die Pflanzen im Wasser vermehren,
wie glücklich die Kröten glucksen,
aus den Gedächtniszellen graben wir ein paar
verträumte verregnete Verszeilen aus. Auch lieben wir,
wenn die Welt kalt ist, das ist das Wahre,
da schwimmen in den Pfützen keine sonnigen Schimären.
Wir laufen umher, spritzen, während die anderen rufen;
Herrgott, die Sonne muss her.
Aber wir sind keine Sonnenanbeter.

Irena [Habalik]


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