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Europa | Türen


Etwas Neues in Europa?

Die Trauerweide wirft weg die Trauerkleider
Die Kuh nimmt eine Braut vor der Kirche auf die Hörner
Auf den Felsen sitzen Frauen und bräunen ihre Power
Der Männerschwarm schwimmt schnell an ihnen vorbei

Die Dichter werden am Rücken getragen von den Göttern
Die Verszeilen schreiben sich von alleine
Das Leben kein Roman, das Leben ein Aphorismus
Kurz, aber wo ist bitte die Pointe?

Die Kinder machen Speeddating
Die Erwachsenen streicheln Displays vor dem Schlafen
Die Alten paaren sich in Würde
Sex ist ein Geschenk Gottes, erklärt der Pontifex

Die Stadt rauscht wie ein Meer
Die Vorstadt wie eh und je weiß nicht weiter
Die Namen verlassen die Schilder, die Häuser die Bewohner
Die alten guten Zeiten wollen zurückkehren
aber wir kehren ihnen den Rücken

Die Vögel flitzen von Baum zu Baum
Auf einer Bank sitzend lauschen wir dem Handygezwitscher
Europa lauscht mit, erzählt nichts mehr vom Stier
Der Nachbar lacht; ja, ja schönes Europa
Es bedarf eines nur: einer Schönheitskorrektur



Hinter den geschlossenen Türen

werden die Gabeln poliert für die nächste Zugabe
wird Posaune geübt für das Jüngste Gericht
zu große Brust flach gelegt und geschmeckt
zu kleiner Kopf in den Topf gesteckt

wird laut diskutiert
über die Abwesenheit der Milch
wird geklagt über das Nachlassen der Schwerkraft
Hinter den geschlossenen Türen wird die Liebe
kalt begossen
werden die Messer gewetzt, in die Tasche gesteckt
die Unwahrheiten serviert zu den Mahlzeiten
wird Brecht zitiert und Benn applaudiert

das Perverse wird hier probiert für die Lieblingsverse
die Einsamkeit gepflegt bis es nicht mehr geht
die Suppenlöffel werden gelöchert
schöne Gesten vorbereitet für die Abendgäste
gewartet wird auf den Besuch bis zum letzten Atemzug

Irena [Habalik]


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