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AUFZEICHNUNGEN ZUR ZEIT


WAS ICH BEOBACHTE (DAS SYSTEM K.)


I
Was ich beobachte.
Die Politik wird Tag um Tag (nationalistisch machistisch) reaktionärer.
Die Gesellschaft (unsere Gesellschaft) wird alltäglich (infantil) regressiver.
Der Staat wird Tag für Tag, insbesondere in Justiz und Exekutive (Polizei), (aggressiv) repressiver.


II
Was ich beobachte. Die Politik ist heute, auch in den sogenannten Demokratien, keine (mehr) der politischen Debatten, des programmatischen und ideologischen Diskurses und der institutionellen Konsensfindung sowie des parlamentarischen Kompromisses, wir haben es heute allgemein mit einer (demagogisch populistischen) Politik der (öffentlich befeuerten) Feindschaft zu tun; es geht mehr und mehr darum, den anderen, einst politischer Gegner, nunmehr zu nichts anderes denn zu einem, zu dem einen Feind zu erklären, um diesen in der Folge nachhaltig zu beschädigen, wenn nicht ganz und gar zu zerstören.

Jedes Mittel ist recht und billig: Koste es was es wolle!
Es geht um die anhaltende (männliche) Herrschaft des (männlichen) Kapitals!
Es geht alleinig um: Weiter so! Alles oder nichts!!


Was ich beobachte. Der Staat, insbesondere seine Institutionen von Justiz und Exekutive (Polizei), rüsten auf wie nie zuvor in der Geschichte gegen vermeintliche (innere) Gegner und (politische)Feinde; es geht heute in der Öffentlichkeit wie in der (alltäglichen) Praxis nur noch um Sicherheit und Ordnung, welche mit allen nur erdenklichen Mitteln aufrechterhalten werden soll und muss.

Während wirtschaftliche und politische Verbrechen, wenn sie denn überhaupt entdeckt und verfolgt werden, nach wie vor nach langen Jahren der Ermittlungen und der Gerichtsverfahren zumeist mit lächerlichen und belanglosen Urteilen enden, führen geringste Delikte der Alltagswelt für die sogenannt normalen Menschen in der und durch die Justiz zu unverhältnismäßig hohen Haftstrafen; und die Gefängnisse werden dabei voll und voller, anstatt, dass sie sich leeren, um das sowieso überbelastete und letztlich vollkommen unwirksame sowie überkommene System Gefängnis vernünftigerweise zu entlasten sowie endlich umfassend also humanistisch zu reformieren (so wie es einst einmal in den Siebziger Jahren von vielen Seiten, auch von Seiten der Justiz, konkret gedacht und als umzusetzende Utopie entworfen wurde.)

Und während die Justizapparate, die staatlichen Vertreter des Rechts, offensichtlich blind und untätig sind gegenüber Rassismus und Klassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus, bauen sie zugleich in engster Kooperation mit den sowieso schwer rechtslastigen Polizeibehörden und ebensolchen Geheimdiensten eine Art von Gefahr der Linken auf - einer politischen Bewegung, die geschichtlich nachweislich für Demokratie, Aufklärung und Emanzipation steht, vor allem aber für den (internationalen) Wohlfahrtsstaat und für universale Menschenrechte.

Die Polizei wiederum wird dabei zugleich mehr und mehr zu einer militärischen (uniformiert-maskierten) Truppe umgeformt und ausgebildet beziehungsweise ebenso martialisch aus- und aufgerüstet wie niemals zuvor, um im Namen des GewaltMonopols des Staates mit aller Härte gegen alles vorzugehen, was irgendwie den herrschenden Mächten im Weg ist und also weg muss; vom zeitgleichen ebenso unentwegten wie umfassenden Auf- und Ausbau der (digitalen) Sicherheits-, Überwachungs- und Kontrollapparate des Staates ganz zu schweigen - China als (analog und digital) tyrannischer Staat ist uns leider staatsorganisatorisch viel näher als viele meinen.

Der sogenannte demokratische Staat baut heutzutage mehr und mehr Einheiten, Kräfte und Institutionen auf und aus, die allezeit bereit gemacht und genutzt werden können, um eben diese sowieso fragile demokratische Verfassung des Staates, um deren (prekäre) Sicherheit es ja eigentlich gehen sollte, letztendlich (von innen her) zu zerstören.

Es ist einmal mehr die tragische Ironie der Geschichte des modernen Staates, dass nämlich die wahre Gefahr und die echte Bedrohung des sogenannten Rechtsstaats (als institutionelle Verfassung der modernen Demokratie) politisch und gesellschaftlich beinahe ausschließlich von rechter Seite kam und kommt.

Niemand griff und greift schamloser und skrupelloser sowie zynisch unverhüllter alleinig nach Macht und Herrschaft als die sogenannt (politische) Rechte, ja dieser gewalttätig bis totalitärer HerrschaftsAnspruch wird geradezu wie eine Monstranz und für alle offen- und ersichtlich von deren Vetretern stolz vor sich her getragen.

Die (bürgerlichen) Parteien und Bewegungen, welche sich selbst in diesen erbärmlichen MachtSchmieren immerzu als moralisch erhaben über diese politischen Extremisten sahen und sehen, welche sich selbst immerzu als die sogenannte (ideologiefreie und bürgerlich moralische) Mitte verklären, so tun als ob nur sie die sogenannt anständigen Menschen mit gesundem MenschVerstand und also das Volk vertreten, waren dabei in der Geschichte der Machtergreifungen immer wieder bereitwillig entweder eiskalter Steigbügelhalter dieser massenmörderischen MenschenVerachter oder manchmal sogar gefügiger bis williger Kumpane dieser immergleich skrupellos mafiösen MenschheitsVerbrecher.

Es wäre also nicht das erste Mal in der Geschichte.
Aber diesmal vielleicht des letzte Mal.


Was ich beobachte.

Die Gesellschaft, und ich meine unsere demokratische, westliche, sogenannt liberale Gesellschaft, wird insgesamt infantiler und regressiver, sodass es uns Angst machen müsste.
Faktum aber ist zugleich, dass diese allgemein bedenklichen Entwicklungen und fundamentalistischen Phänomene des sogenannten Mainstreams gegenwärtig niemanden interessieren oder gar ernstlich kümmern - und das sollte uns am meisten Angst machen.

Einerseits behaupten wir unentwegt von uns, wie liberal und wie offen und tolerant wir doch allesamt sind, andererseits wachsen und wuchern alltäglich und medial Hass und Hetze, Rassismus und Ressentiment, Nationalismus und Militarismus, Rassismus und Sexismus - die Liste wäre leider noch sehr lange werden, würde ich sie fortzusetzen.

Darüber habe ich schon Anfang der Neunziger Jahre geschrieben, als nach dem Fall der Mauer die manisch positiven bis narzistisch hysterischen Vertreter des MainstreamNeoliberalismus ihren selbst ernannten Sieg feierten und die Globalisierung die Welt in den kapitalistisch neokolonialen (neofeudalen) Würgeriff nahm, der nun gegenwärtig nochmals enger, also noch grausamer und mörderischer als bisher an unsere (westliche) Gesellschaft sowie die gesamte WeltZivilisation angesetzt wird.

Das Infantile unserer Zeit ist ebenso offensichtlich wie alltäglich, ein kritischer Blick in die sogenannt sozialen Medien genügt, ein neuester Trend in diesen für mich sowieso grundlegend asozialen Medien macht es anschaulich: Begrüßung, Befürwortung und Bebilderung jeglicher Formen von Gewalt gegen Frauen, selbst grausame Tötungsfantasien, vor allem von jungen Männern werden massenhaft ins Netz gestellt und von Millionen sogenannten Followern, wiederum vor allem von jungen Männer, massenhaft gelikt, also: massenhaft Daumen rauf! dafür, dass Frauen, auch mit physischer Gewalt, unten gehalten werden sollen (ja müssen).

Die Regression unserer Gesellschaft lässt sich gegenwärtig daher leider auch am besten und am offensichtlichsten an der Verfassung des Feminismus, der wesentlichsten emanzipatorischen Bewegung des 20. Jahrhunderts, ablesen und beschreiben.

Der Feminismus ist heute wie niemals zuvor mit vielfachen Formen der politischen Rückabwicklung historisch gerade erst erkämpfter Rechte konfrontiert, man nennt es journalistisch gerne Backlash, um damit das tatsächlich Katastrophale dieser politischen reaktionären (neokonservativen sowie neufeudalen) Kräfte medial einmal mehr zu verfehlen beziehungsweise letztlich zu verharmlosen.

Das zivilisatorisch Selbstverständlichste, nämlich die Gleichheit von Mann und Frau, scheint auf einmal wie selbstverständlich wieder umfassend, ja fundamental infrage gestellt und eine (immanente) Frauenverachtung wird, auch von sogenannt demokratischen Politikern der westlichen Welt in unterschiedlichste Gesetze gegossen, die vor Menschenverachtung nur so strotzen und die den sich seit Jahrzehnten stets verschärfenden, menschenrechtswidrigen Gesetzen gegen Migration und Asyl um nichts nachstehen.

Von immer mehr Seiten schlägt Frauen Feindschaft entgegen. Eine reaktionäre Gegenbewegung greift sicher geglaubte Frauenrechte in westlichen Demokratien an. Mit dem Ziel, die hart erkämpfte Gleichberechtigung mit Gewalt rückgängig zu machen. Schauplätze: das eigene Zuhause, wo die Gewalt gegen Partnerinnen zunimmt. Das Internet, wo sich der Hass auf Frauen vor den Augen der Öffentlichkeit immer heftiger Bahn bricht. Die Politik, wo misogyne Rhetorik immer eher zum Repertoire von rechten Populisten gehört. Das Gesetz, wo autoritäre Antidemokrat:innen hart erkämpfte Frauenrechte zurückschrauben. Und überall dazwischen. (…) Partnerschaftsgewalt, Femizide, sexuelle Übergriffe, Stalking, Hetze, Hasskampagnen, völlige Kontrolle über das gesamte Leben - das alles nimmt erschreckende Ausmaße an.
Susanne Kaiser, Das feministische Paradox

Die Zeiten der (unaufhaltsamen) Aufklärung, der (globalen) Demokratisierung, der (weltweit umgesetzten) Menschenrechte und einer (universalen) Emanzipation der Menschheit scheinen am Ende.
Das Projekt der Moderne als ein Projekt der Aufklärung scheint umfassend gescheitert.
Diese Zeiten sind lange vorbei.


III
Sozusagen sozialisiert wurde ich im (ländlich kleinbürgerlichen) Österreich der Siebziger Jahren, ich war ein Kind damals, aber ich begriff, dass es insgesamt eine Zeit des politischen Umbruchs und eine Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs zugleich war; eine Zeit, in der von Seiten der (sozial)demokratischen Politik endlich, lange schon notwendig gewordene (und gesellschaftlich gewünschte) Reformen in Angriff genommen wurden, in denen es allgemein gesellschaftlich und politisch (wohlfahrtsstaatlich) sowie wirtschaftlich (sozioökonomisch) vor allem darum ging, dass es allen Menschen bald (noch) besser ginge.

Diese Zeiten sind lange vorbei.
Und diese Zeiten waren sicherlich keine besseren Zeiten als heute, aber:

Diese Siebziger Jahre hatten einen erfahrbaren (Zeit)Geist mit menschlichem Antlitz und getragen und bestimmt wurden diese Jahre und dieser (allgemein politisierte) Geist von Menschen, welche nicht nur an eine bessere Zukunft glaubten, sondern die auch bereit waren, auf allen politischen und institutionellen Ebenen sowie in allen gesellschaftlichen Bereichen daran und dabei mitzuwirken, konkret: Alles das umzusetzen, was im Namen von Demokratie und Freiheit und Frieden Not tut, und alles das zu tun, was notwendig war, um eine bessere Welt für alle zu schaffen.

Sie alle zusammen teilten, trotz aller begreiflichen (begrifflichen) Widersprüche, gegensätzlichen Interessen und unterschiedlichsten Ideologien, eine einmalige und (mehr oder weniger) gemeinsame Vision von internationaler Solidarität, alltäglicher Mitmenschlichkeit und Wohlfahrt für alle Menschen der Welt.

Diese Zeiten sind lange vorbei.

Sie waren sicherlich keine besseren Zeiten als heute, aber:

Es ging in den Siebziger Jahren der Politik wie in der Gesellschaft noch um etwas, das man res publica nennen könnte, eine öffentlich gewünschte und geforderte und geförderte Sache, die alles umfasste und alle meinte: Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, Institutionen, Medien usw.usf..

Es ging darum, (auf)gefordert und gefördert von führenden Politikern, sowie getragen von großen Teilen der Bevölkerung, insbesondere der Kultur- und Kunstschaffenden, und auch so manchen Medien, vielfältigste Wege demokratisch und sozial gemeinsam zu gehen, was damals vor allem bedeutete, die notwendigen politischen und wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Reformen nächstmöglich im Sinne von Demokratie und WohlfahrtsStaat gemeinsam mit den Bürgern umzusetzen.

Die Gesellschaft mit (mehr) Demokratie zu fluten, war eines der geflügelten Worte der Zeit, den Weg gemeinsam gehen und Kultur für alle ebenso.Von all diesen emanzipatorischen Gedanken und diesem frei modernen sowie kritisch aufklärerischen Geist ausgehend, die notwendigen Wege eben gemeinsam zu gehen, ist heute nicht nur nichts mehr zu spüren, es ist auch absolut nichts mehr davon zu hören und schon gar nicht und nichts zu lesen.

Diese Zeiten sind lange vorbei.

Heute haben wir in den sogenannt entwickelten Staaten nichts anderes denn den umfassend totalitären (Konsum)Kapitalismus, welcher auf staatlicher (sogenannt demokratischer) Ebene momentan weltweit mit dem allseitigen (antidemokratischen rechtsgerichteten) PopulismusAutoritarismus korrespondiert, der medial inzwischen großenteils zur Normalität verharmlost wurde und wird.

Das alleine ist die Vision der Zeit.

Heute haben wir die (absolute) Herrschaft des Finanzkapitals mitsamt international dominierenden Welt(Markt)Konzernen, und demnächst haben wir dann auch noch die (totale) Künstliche Intelligenz, weltweit wirkend und wirksam im Namen des (totalisierend militarisierenden) Kapitals - das SYSTEM K.

Das alleine ist die Vision.

Der sogenannt freie Bürger (das IdealSubjekt der Aufklärung) wird bald nicht mehr oder noch weniger sein als Marxens LumpenProletariat, er wird nur noch eine Art von (Mikro)Sklave sein, entrechtet vor sich hin werkend in einem neufeudalen (Makro)System der kapitalistischen AlltagsTyrannei sowie der alltäglich manifesten Gewalt eines digital perfekten ÜberwachungsKapitalismus; der Mensch ist darin nichts anderes als ein ebenso Verlorener wie Unterworfener, letztlich also ein (total) Überflüssiger in einer allgemein sterbenden und also unterworfenen Natur und also fundamental sterbenden Welt - das SYSTEM K.

Das alleine ist und wird sein.

Das ehemals sich als frei und mündig (missverstehende) bürgerliche IchSelbst wird nichts anderes sein als ein lebendiger TotKörper, ein lebenslang (digital) kontrollierter (Daten)Zombie des Konsums, alleinig erhalten zum Erhalt des ökonomischen ProfitMaximierungsSystems, ein (unentwegt und nachhaltig) Sterbender in einem totalisiert totalitären Alltag der ökonomischen Akkumulation der banalsten und billigsten Barbarei jenseits aller menschheitlichen Zivilisation - das SYSTEM K.

Das Projekt der Moderne als ein Projekt der Aufklärung ist gescheitert.

Nicht einmal die Zukunft ist (noch) das, was sie einmal war, niemals wieder sein wird.

Und wir als Menschen (als Subjekt und Individuum) sind (uns) schon lange nicht mehr als ein am Strand in den Sand gemaltes Bild, mehr und mehr gesichts- und geschichtslos die Wellen des (alles auslöschenden) Meeres erwartend.

Armin [Anders]


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